Warum Freiheit nicht am Strand von Thailand beginnt
- Roland Tischberger
- 19. Aug.
- 3 Min. Lesezeit
Wenn man das Wort „Aussteigen“ googelt, findet man sofort Bilder von weißen Stränden, Palmen und Menschen, die in Hängematten liegen. Alles sieht nach Freiheit aus. Keine Meetings, keine nervigen Chefs, keine Rechnungen. Nur Meer, Sonne und das Gefühl, endlich draußen zu sein. Es ist das Standardbild, das man im Kopf hat, wenn man das Hamsterrad verlassen will: Flugticket nach Thailand und alles wird gut.
Ich war dort. Fünf Jahre lang. Und ich habe gelernt, dass diese Vorstellung nur die halbe Wahrheit ist. Denn so verlockend das Bild vom Strand ist – echte Freiheit beginnt nicht dort.
Der Mythos vom Aussteigen
Die Idee, dass man einfach den Job kündigen, die Wohnung aufgeben und ins Ausland ziehen kann, klingt verführerisch. Und ja, manchmal braucht es diesen radikalen Schritt, um wach zu werden. Aber was viele nicht sehen: du nimmst dich selbst mit.
Deine Ängste, Zweifel und Muster haben keine Probleme mit Zeitverschiebung. Sie sitzen neben dir im Flugzeug und steigen mit dir aus. Wer vorher unglücklich war, wird am Strand nicht plötzlich zu einem neuen Menschen. Vielleicht ein paar Wochen. Vielleicht ein paar Monate. Aber irgendwann holt dich deine eigene Realität ein – egal, ob du in Wien, Bangkok oder auf Koh Phangan lebst.
Aussteigen heißt nicht automatisch frei sein
Ich habe unzählige digitale Nomaden, Backpacker und Aussteiger in Thailand getroffen. Viele hatten ihre Jobs und ihr altes Leben hinter sich gelassen. Aber statt frei zu sein, bauten sie sich neue Ketten. Nur dass sie diesmal aus Laptops, Coworking-Spaces und Freelancer-Aufträgen bestanden.
Andere hingen den ganzen Tag in Bars oder Cafés herum, verloren sich im Alkohol oder in bedeutungslosen Affären. Freiheit war das nicht. Es war nur ein anderes Gefängnis, das sich hübscher anfühlte.
Freiheit entsteht nicht durch die Kulisse. Sie entsteht, wenn du aufhörst, dir etwas vorzumachen.
Was echte Freiheit bedeutet
Echte Freiheit ist unbequem, weil sie dich zwingt, Verantwortung zu übernehmen.
Freiheit bedeutet, Entscheidungen bewusst zu treffen – auch wenn sie wehtun.
Freiheit bedeutet, nicht auf einen Ort oder eine andere Person zu warten, die dich erlöst.
Freiheit bedeutet, dir einzugestehen, dass du selbst der Grund bist, warum du festsitzt.
Und genau deshalb beginnt Freiheit nicht am Strand von Thailand, sondern in deinem Kopf.
Mein Buddha-Moment in Bangkok
Mein persönlicher Wendepunkt kam nicht am Meer, sondern im Einkaufszentrum MBK in Bangkok. Zwischen Rolltreppen, Neonlicht und Fastfood-Ständen hatte ich plötzlich das Gefühl: So geht es nicht weiter. Ich muss aussteigen.
Es war kein Sonnenuntergang, kein Strand, kein Hollywood-Moment. Es war laut, stickig und banal. Aber genau dort wurde mir klar, dass Freiheit nichts mit dem Ort zu tun hat. Sie hängt davon ab, ob ich bereit bin, mein Leben radikal ehrlich anzuschauen – und die Konsequenzen zu ziehen.
Warum viele Rückkehrer scheitern
Was oft verschwiegen wird: Viele Aussteiger kommen irgendwann zurück. Nicht, weil sie versagt haben, sondern weil sie merken, dass Freiheit nicht in Thailand, Bali oder Mexiko auf sie wartet. Manche kehren zurück, weil das Geld ausgeht. Andere, weil sie merken, dass sie sich selbst nicht loswerden.
Das heißt nicht, dass Aussteigen falsch ist. Es heißt nur, dass der Ort nicht die Lösung ist. Wenn du das Hamsterrad verlässt, musst du auch die innere Mühle zum Stillstand bringen. Sonst drehst du sie nur unter Palmen weiter.
Praktische Gedanken für deinen eigenen Weg
Wenn du gerade mit dem Gedanken spielst, auszuwandern oder auszusteigen, dann stell dir ehrlich ein paar Fragen:
Will ich wirklich frei sein – oder will ich nur weg von etwas?
Was sind meine inneren Muster, die mich blockieren?
Bin ich bereit, Verantwortung für mein Leben zu übernehmen, egal wo ich bin?
Denn Freiheit ist keine Postkarte. Sie ist eine Haltung.
Fazit
Der Traum vom Aussteigen nach Thailand klingt romantisch. Aber wenn du denkst, dass Freiheit dort auf dich wartet, wirst du enttäuscht. Sie beginnt nicht am Strand, nicht in einer Hängematte und auch nicht im Kokosnuss-Saft.
Freiheit beginnt dort, wo du aufhörst, dir etwas vorzumachen. Sie beginnt dort, wo du dir selbst in die Augen schaust. Sie beginnt in deinem Kopf – und wenn du das verstanden hast, kannst du sie überall leben.
In meinem Buch Aussteigen erzähle ich die ganze Geschichte – von meinem MBK-Moment in Bangkok bis zu meiner Rückkehr. Mehr dazu findest du hier.



